Abhängig ist die Entscheidung letztlich immer von den individuellen Voraussetzungen beim Produzenten. Für den Hersteller von Premium-Produkten mit einer geringen Anzahl an Kunden ist die Etablierung eines eigenen Vertriebs meist vorteilhaft. Bei massentauglichen Produkten und einer hohen Anzahl an Abnehmern können externe Distributoren hingegen Effizienzvorteile erzielen.
Auswahlkriterien für den B2B-Distributor
Die Entscheidung für oder gegen einen Distributor muss immer auf Basis von leistungs-, kunden-, unternehmens- und wettbewerbsbezogenen Kriterien erfolgen. Insbesondere die Erklärungsbedürftigkeit und das Preissegment des Produkts spielen eine große Rolle. Ist der Erklärungsbedarf groß, ist die Einschaltung eines Distributors meist nicht sinnvoll. Die Kosten für dessen Schulung und die Gefahr von Kommunikationsproblemen sind etwa bei der Installation komplexer Industrieanlagen zu hoch. Die eigenen Ingenieure und Vertriebsmitarbeiter können die von ihnen entwickelten Produkte anschaulicher vermitteln. Gleichzeitig sind diese Produkte im höherklassigen Preissegment anzuordnen. Der Kunde erwartet also einen gewissen persönlichen Service und keine anonyme Beratung über einen Vermittler.
Eine McKinsey-Studie aus dem Jahr 2014 zeigt, dass die Unternehmensgröße bei der Entscheidung ebenfalls eine Rolle spielt. Sowohl lokale Maschinenbauer (Durchschnittsumsatz von 50 Millionen Euro) mit Eigenvertrieb als auch größere Exporteure (im Schnitt 400 Millionen Euro Umsatz) mit Distributoren erzielen im Schnitt 6 Prozent Profitabilität. Begründet ist das unter anderem in den jeweils passgenauen Vertriebsmodellen. Lokale Maschinenbauer haben einen direkten Zugang zu ihren Kunden und können den eigenen Vertrieb sinnvoll unterhalten. Exporteure würden hierfür Geschäftsstellen in zahlreichen Ländern benötigen und müssten lokales Wissen aufbauen. Da die Kosten hierfür deutlich höher wären als der Ertrag, wird auf Distributoren gesetzt.
Weitere Auswahlkriterien für die Beauftragung von Distributoren:
- Bereits genutzte Vertriebswege
Die Entscheidung für oder gegen Distributoren muss immer vor dem Hintergrund des bestehenden Vertriebs getroffen werden. Der Aufwand für die Umstrukturierung kann sehr hoch sein. Unter Umständen lohnt es sich, bei der Expansion in neue Märkte oder bei kleineren Exportmärkten erstmals ein neues Modell auszutesten. Die Erfahrungswerte werden anschließend evaluiert und dazu genutzt, den kompletten Vertrieb umzustellen. - Alleinstellungsmerkmal
Der Direktverkauf kann ein Alleinstellungsmerkmal in der Branche sein, das nicht zu unterschätzen ist. Das Motto „Wir verkaufen unsere Artikel selbst“ kommt auch im B2B-Bereich gut an. Sie schaffen Persönlichkeit und Vertrauen und stärken die Kundenbeziehung. - Kundenzahl
Je größer die Zahl der Kunden, desto komplexer ist die Etablierung eines eigenen Vertriebs. Die Komplexität steigt weiter, wenn die Kunden in kurzen zeitlichen Abständen einkaufen. Der Einsatz von Distributoren ist in diesem Fall kostengünstiger. - Finanzkraft
Die Finanzkraft des Unternehmens muss einkalkuliert werden. Für kleinere Firmen ist es zu aufwendig einen eigenen Vertrieb für ganz Deutschland oder Europa aufzubauen.
Beziehen Sie bei Ihrer Kalkulation alle relevanten Faktoren mit ein, um festzustellen, ob sich ein externer B2B-Distributor rechnet.
Vor- und Nachteile des Eigenvertriebs
Selbstverständlich gilt auch hier wieder: Vorteile und Nachteile müssen individuell auf das Unternehmen bezogen werden. Dennoch bietet der Eigenvertrieb immer den Vorteil der vollen Kontrolle. Die Transaktionskosten sind deutlich geringer als bei der Zwischenschaltung von Distributoren. Nicht zu verachten ist, dass der Eigenvertrieb die Markenbildung stärkt und die Bindung von Kunden verbessert. Denn auch die Art und Weise, wie ein Produkt Geschäftskunden vorgestellt wird, beeinflusst die Außenwirkung des Unternehmens. Der Verkaufsprozess von Distributoren an sich – also Gespräche, Präsentationen, Verhaltensweisen – lässt sich aber kaum nachvollziehen. Lediglich die Verkaufszahlen bleiben als handfestes Bewertungskriterium.
Gleichzeitig sind die Fixkosten für den Eigenvertrieb hoch. Wer auf einem Exportmarkt Produkte verkaufen möchte, braucht vor Ort eine Geschäftsstelle mit im Idealfall einheimischen Mitarbeitern. Hinzu kommt, dass die Massendistribution kaum möglich ist. Sollen die Produkte in hoher Zahl und an viele Abnehmer geliefert werden, sind Distributoren wie Großhändler durch Spezialisierungsvorteile schneller und kostengünstiger. Als Beispiele sind hier Ersatzteile für Kfz-Werkstätten, Werkzeuge für das produzierende Gewerbe oder Komponenten für die Elektroindustrie zu nennen.
Vor- und Nachteile vom B2B-Distributor
Nur eines von vier Unternehmen im B2B-Bereich verfolgt eine Channel-Strategie. Begründet ist das oft in der Vernachlässigung des Vertriebs zugunsten der Produktion. Hier bleibt viel Absatzpotenzial auf der Strecke, das Distributoren erschließen können. Die Distributoren sind schließlich komplett auf den Verkauf von Produkten spezialisiert. Sie verdienen nur dann Geld, wenn der Kunde Waren bestellt. Es besteht also ein inhärenter Anreiz dazu, möglichst hohe Absatzzahlen zu schaffen.
Gleichzeitig kann der Produzent seine Kosten unter Umständen senken oder zumindest effizienter gestalten. Ein Vertriebsmitarbeiter bekommt ein festes Gehalt zuzüglich Provision. Der B2B-Distributor erhält nur im Erfolgsfall eine Provision. So entstehen – bezogen auf den reinen Verkaufsprozess – keinerlei Fixkosten. Bezahlt werden muss nur, wenn tatsächlich ein Verkauf und somit eine Umsatzsteigerung stattfindet.
Die Steuerung von Distributoren ist jedoch deutlich komplexer und aufwendiger als beim Eigenvertrieb. Die Händler verfolgen eigene Strategien und Ziele, die nicht immer mit denen des Produzenten übereinstimmen müssen.
Auswahl des B2B-Distributors
Unternehmen müssen den Distributor als Teil des Unternehmens sehen, obwohl dieser de facto ein externer Mitarbeiter oder Geschäftspartner ist. Doch der Distributor wird nur effizient arbeiten, wenn ihm dazu entsprechende Anreize gegeben werden. In erster Linie ist das eine angemessene Marge für den Verkauf. Verdient der Distributor kein oder zu wenig Geld, rentiert sich die Arbeit für ihn nicht. Folglich sucht er entweder nach anderen Kunden oder nach einer neuen Beschäftigung.
Natürlich gibt es bei der Wahl des Distributors kein Patentrezept. Einige wichtige Mechanismen haben sich aber in der Praxis bewährt und bilden die Basis für den Erfolg des Vertriebs durch Distributoren:
- Die Suche des passenden Distributors sollte sowohl auf weichen als auch auf harten Kriterien beruhen. Zertifizierungen, bisherige Tätigkeiten und Weiterbildungen garantieren die fachliche Kompetenz. Weil der Distributor aktiv mit Endkunden kommuniziert, sollte bei der Auswahl aber auch auf die sozialen Soft-Skills geachtet werden.
- Der B2B-Distributor muss nicht nur zu Beginn, sondern laufend geschult werden. Regelmäßige Meetings und Fortbildungen stärken zudem die Beziehung zwischen Distributor und Produzenten.
- Distribution funktioniert nur, wenn der Produzent Hilfestellungen bietet. Dem Distributor müssen unterstützende Informationen in Form von Toolkits zur Verfügung gestellt werden. Dadurch kann dieser wiederum Newsletter, Werbeanzeigen oder den Versand von Infopost effizienter abwickeln.
- Obwohl der Distributor über eine gewisse Freiheit verfügt, müssen klare Regeln für das Corporate Design kommuniziert werden. Das ist umso wichtiger, je größer der Distributor ist. Führt dieser ein eigenes Unternehmens mit einem eigenständigen Auftritt, müssen die beiden Marken strikt voneinander abgegrenzt werden.
- Gute Distributoren sind gefragt. Entsprechend müssen Unternehmen dafür Sorge tragen, dass Distributoren motiviert bleiben. Jahreskonferenzen, Wettbewerbe, Newsletter und regelmäßige Besuche vor Ort bilden die Grundlage hierfür.
Distribution in der Praxis – Beispiel B2B-Mobilfunk
Die Funktionsweise und die Erfolgsfaktoren von Distributions-Modellen lassen sich am Beispiel der Telekommunikationsbranche gut darstellen. Im B2B-Bereich setzen große Konzerne hier seit Jahren auf Distributoren, die selbst wiederum weitere Distributoren beschäftigen. Der Hauptgrund: Es gibt mehrere Millionen Kunden in ganz Deutschland oder gar Europa. Daher ist es notwendig, zwei Distributoren-Netze zu schaffen. Eines ist für den direkten Kontakt mit dem Mobilfunkanbieter zuständig – eine Art Großhändler also. Den eigentlichen Verkaufsprozess übernehmen dann wiederum kleinere Distributoren, die vor Ort über gute Beziehungen verfügen.
Für die Distributoren selbst wurden Verkaufsanreize in Form attraktiver Margen geschaffen. Zudem gilt im B2B-Mobilfunkmarkt, dass Kunden seltener den Provider wechseln. Die Distributoren verdienen also langfristig an einmal geworbenen Kunden.
Zusätzlich zu diesen Anreizen sorgen die großen Konzerne für aktive Verkaufsunterstützung. Dazu zählen neben Schulungsprogrammen und vorgefertigten Marketingmaßnahmen auch Begleitungen bei ersten Verkaufsgesprächen. Darüber hinaus werden die Distributoren bei Backoffice-Themen beraten, sodass sie sich voll auf den Verkauf konzentrieren können.
Laut Katrin Wilke, Leiterin Fachhandelsvertrieb und Netzvermarktung bei Eno, sei der Verkaufserfolg trotzdem kein Selbstläufer: „Der Dienstleistungsanteil ist bei diesen Projekten sehr hoch und erfordert spezifische Kenntnisse.“ Das gelte vor allem für die Kundenbetreuung. So wünschen sich Kunden im B2B-Bereich bei Fragen und Problemen einen direkten Ansprechpartner. Die Distributoren dagegen würden aber vor allem an der Akquise von Neukunden verdienen. Aufgabe der Großhändler sei es daher, für die nötige Balance zwischen beiden Aufgaben zu sorgen.
Distribution und Digitalisierung
Eine neue Herausforderung im B2B-Bereich stellen digitale Vertriebswege dar. Hierüber können Unternehmen vergleichsweise kostengünstig einen eigenen Vertriebskanal aufbauen. Wie erfolgreich die Etablierung eines solchen Kanals sein kann, zeigt das Beispiel Dow Corning:
Bereits im Jahr 2002 startete der Silikonhersteller einen Online-Shop für Geschäftskunden. Kunden können zu vergünstigten Konditionen kaufen (niedrigere Preise, kein Service). Heute werden rund 30 Prozent der Umsätze online getätigt (dreimal mehr als branchenüblich).
Ein simples Modell, das allerdings im B2B-Bereich die Ausnahme darstellt: Nur ein Bruchteil der deutschen Unternehmen nutzt digitale Kanäle. Auch in Zukunft wird ein Großteil der Verkäufe über einen B2B-Distributor oder den Direktvertrieb abgewickelt. Dennoch zeigt dieses Beispiel, wie hoch das Potential des E-Commerce im B2B-Bereich ist.
Die Digitalisierung der Distribution hat den B2B-Bereich erreicht: E-Commerce hat auch hier großes Potential.